VW bringt seine Elektriker auf zwei Ebenen.
Der ID.3 von Volkswagen ist noch nicht lange in den Schauräumen, hat aber bereits mächtig Eindruck hinterlassen: Der lang erwartete Volksstromer, der bereits im Stand zum Synonym der Massenelektrisierung geworden ist. Ob er die Individualmobilität tatsächlich in eine neue Ära führt, kann man zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht sagen. Aber wir können eine Antwort auf die Frage „Ist der ID.3 ein gutes Auto?“ geben. Sie lautet: „Ja.“
Der erste, rein als Elektroauto konzipierte Volkswagen soll die Welt der etablierten E-Autos aufmischen und die Marke selbst revolutionieren. Dabei fängt er schon bei der Karosserie an. Die Silhouette baut etwas höher als bei einem vergleichbaren Golf, aber niedriger als beispielsweise der Hochdachbruder Sportsvan. Die Überhänge sind vorne wie hinten sehr kurz, der Radstand ist dafür beinahe auf VW Passat Niveau. Zwei Meter und 77 Zentimeter sind ein Rekordwert für die Kompaktklasse. Das merkt man vor allem im Innenraum - im Fond sitzen auch Großgewachsene gut. Der Kofferraum kommt auf 385 Liter - Klassendurchschnitt.
Allerdings ist der place to be weder Rückbank noch Kofferraum, sondern natürlich der Fahrersitz des ID.3. Was fällt auf? Der ID.3 ist anders, aber dennoch ein waschechter VW. Sie kennen das Gefühl vielleicht, wenn man sich in einen neuen Golf oder Passat setzt und sich alles so vertraut anfühlt, als wenn man sich in sein eigenes Wohnzimmer setzt. Genau dieses heimelige Gefühl gibt einem ich der ID.3, nur eben etwas schnörkelloser. Und knopfloser, denn die Bedienung der Sekundärfunktionen findet nur noch über Touchgesten am Lenkrad und am zentralen Bildschirm statt. Das Display hinter dem Lenkrad zeigt dem Fahrer jede relevante Info an, lenkt aber nicht durch pseudocoolen Grafiküberschmäh ab. Optional kann man den ID.3 mit einem Head-Up-Display ausstatten, das ab Jahresende sogar Augmented-Reality-Funktionen hat. Chapeau VW, in der Kompaktklasse ist man damit alleine auf weiter Flur.
KITT, bist das du?
Ein absolutes Alleinstellungsmerkmal ist allerdings die Lichtleiste, die unterhalb der Windschutzscheibe über die gesamte Fahrzeugbreite untergebracht ist. Sie dient nämlich zur Kommunikation zwischen Fahrer und Auto. Wenn man den Sprachassistenten benutzt, antwortet der ID.3 unter anderem mit einer Lichtanimation, die an jene von KITT erinnert. Aber auch Richtungswechsel, die vom ßserienmäßigen Navigationsgerät empfohlen werden, macht die Lichtleiste deutlich.
Weniger KITT, mehr GTI sind die Fahrleistungen. Denn beim Ampelstart wird deutlich, dass 204 PS schon dynamisches Potenzial haben. Besonders, wenn, ganz Elektro-typisch, die 310 Newtonmeter sofort parat stehen. Innerstädtisch ist man, was die Beschleunigung angeht, ganz vorn dabei. Von null auf 60, also die klassisch österreichischen 10 km/h drüber, braucht der ID.3 nur 3,4 Sekunden. Den Sprint auf Landstraßengeschwindigkeit absolviert er in 7,3 Sekunden. Der Stromer macht aber nicht nur auf der Geraden Laune, sondern auch und vor allem in der Kurve - dem Antriebslayout sei Dank. Volkswagen hat mit dem ID.3 nämlich den Heckantrieb in die Kompaktklasse zurückgebracht. Damit hat man schon in der Vergangenheit durchaus Erfolge gefeiert - Stichwort Käfer. Motor und Antrieb sind also hinten. Das hat zweierlei Vorteile: Erstens ist der Weg vom Motor zum Rad ein erfreulich kurzer und zweitens müssen die Vorderräder nur noch Lenken. Das sorgt für die Abwesenheit von Antriebseinflüssen in der Lenkung. Da zwischen den Vorderrädern kein Motor liegt, gibt es mehr Platz für den Radeinschlag - ergo einen kleineren Wendekreis. Knapp über 10 Meter, das ist bei einer Außenlänge von 4,26 Metern mehr als ordentlich.
Auf was es ankommt
Allerdings sind weder Fahrwerte noch Wendekreis Teil des Stammtischgesprächs, es ist die Reichweite. Den ID.3 gibt es mit drei Batteriekapazitäten: 48, 62 und 82 Kilowattstunden. Die meisten ID.3 Kunden werden die goldene Mitte mit 62 Kilowattstunden brutto, respektive 58 netto, wählen. Damit kommt der ID.3 nach WLTP bis zu 420 Kilometer weit, unter realen Bedingungen werden sich 400 Kilometer wohl auch ausgehen. Die große Batterie hat übrigens Saft für rund 550 Kilometer. Damit sollte das Problem der Reichweitenangst ein für alle Mal passé sein. Und wenn doch einmal ein Ladestopp benötigt wird, ist das auch nicht schlimm: Die 62 kWh große Batterie lässt sich mit bis zu 100 Kilowatt laden, die größere 82 kWh Batterie schafft sogar 125 KW.
Ein Stockwerk höher
Wie sich der ID.3 zum Golf verhält, verhält sich der ID.4 zum Tiguan. So deckt Volkswagen auch das boomende Kompakt-SUV-Segment mit einem Fahrzeug aus dem MEB, dem Modularen Elektroantriebsbaukasten, ab. Der ID.4 wird sich dementsprechend auch einiges an Technik mit dem ID.3 teilen, aber mit rund 4,60 Metern Länge deutlich größer sein. Das bietet nicht nur den Insassen (noch) mehr Platz, sondern sorgt naturgemäß auch für einen voluminöseren Kofferraum - 543 Liter werden es dann sein. Die Wolfsburger Elektrolawine startet also in der Kompaktklasse, dem historisch bedingten Lieblingssegment von VW. Doch gleich danach kommt ein kompaktes SUV. Konsequent, denn diese Karosserieform steht besonders hoch in der Käufergunst.