Der BMW M4 ist ein Sportler alter Schule
Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude. Sie beginnt beispielsweise beim Einkaufen, wenn die Schokoladentafel in den Korb, das Wagerl oder eben in die Hand wandert. Man malt sich im Supermarkt schon das ein oder andere Szenario aus. 'Hmm, die wird am Abend, bei der Lieblingsserie, richtig gut schmecken.' In unserem Fall beginnt die Vorfreude aber mit einer Leihvereinbarung von BMW, die ins E-Mail-Postfach flattert.
Autos aus Bayern gehören sowieso immer zur Crème de la Crème. Wenn deren Modellbezeichnung aber mit einem M beginnt, ist Feuer am Dach. Das Kopfkino setzt ein und auch tendenzielle Chaoten werden erstaunlich strukturiert, wenn es um die Einteilung eines solchen Testwagens geht.
Sie merken, dieser Text könnte in Richtung stark emotionaler Lesestoff abdriften. Haha! Driften! Witziges Wortspiel. Aber dazu später mehr. Um nicht komplett die Contenance zu verlieren, widmen wir uns mit gewohntem Pragmatismus den Zahlen, Daten und Fakten. Der turbogeladene Dreiliter-Reihensechszylinder leistet seit dem leichten Facelift 530 PS und 650 Newtonmeter. Diese finden mittels Achtgang-Automatikgetriebe den Weg auf alle vier Räder. Meistens. Kostenpunkt laut GO!drive: gut 140.000 Euro. Geht auch günstiger, dann steht bei den PS allerdings ein Vierer an erster Stelle. Bei den angetriebenen Rädern sind’s dann derer nur zwei.
Puristen werden die seit 2021 angebotene Allradoption beanstanden. Für Menschen, die nur schwarz und weiß kennen, gibt es eine klare Aufteilung. Aus München kommen die heckgetriebenen Spaßgaranten, Allrad gibt es rund 80 Kilometer weiter nördlich. Ein Denken, das antiquiert ist, denn BMW ist weltweiter Marktführer bei Premium-Fahrzeugen mit Allradantrieb. Außerdem gibt es im Lenkrad zwei rote Knöpfe, die aus dem alltagstauglichen Allrad-Coupé eine heckgetriebene Driftmaschine machen. Der innere Homer Simpson stöhnt: „Mmmh, Driften.“
M wie Milka
Zurück zum Testwagen, dessen Konfiguration recht stark an die eingangs erwähnte Tafel Schokolade erinnert. Außen violett, innen braun. M könnte in diesem Falle auch für Milka stehen. Und ja, es gibt sowohl vernünftigere Nahrung als auch vernünftigere Autos. Aber die sorgen einfach nicht für den maximalen Endorphin-Ausstoß. Das beginnt schon bei der Beschleunigung, idealerweise mit Launch-Control. Linker Fuß auf die Bremse, der rechte drückt das Gaspedal bis zum Anschlag. Der Reihensechser atmet lautstark aus.
Als Fahrer vernimmt man Sprotzeln, das allerdings nicht aus dem Auspuff, sondern aus den Boxen kommt. Einerseits gut, denn als spätpubertärer Charakter komme ich so nicht in Versuchung, meine Nachbarn schon bei der morgendlichen Fahrt ins Büro mit benzingetränktem Sound zu beglücken. Andererseits hätte ich natürlich gerne die Möglichkeit, beim später stattfindenden Klassentreffen akustisch auf meinen temporären fahrbaren Untersatz aufmerksam zu machen. Egal, ich kann ja nachher den Schlüssel strategisch gut auf dem Tisch positionieren. Schräg vor mir, mit dem geprägten M nach oben. Das wird von meinen, über die Jahre angesammelten, Kilos ablenken. Meine Obsession nach Schokolade wurde ja bereits thematisiert.
Wir befinden uns immer noch mit dem rechten Fuß am Gas und lösen den linken. Gott sei Dank ist der Allrad aktiviert, sonst würden die 285er Walzen auf der Hinterachse die direkte Umgebung in eine dichte Rauchwolke hüllen. Gespickt mit interessantem Aroma. Wie bei einem Reggae-Konzert. Bob Marley dreht sich gerade im Grab, aber die Räder des BMW drehen sich schneller. Nach exakt dreieinhalb Sekunden ist Landstraßentempo erreicht. Die Achtgang-Automatik mit einstellbaren Schaltzeiten macht ihre Sache perfekt und entwickelt im Zusammenspiel mit dem Motor trotzdem Charakter. In Zeiten der Elektromobilität sind Sprintzeiten von unter vier Sekunden beinahe inflationär geworden. Schön, dass der BMW M4 es nach wie vor zu einem Spektakel macht.
Zahlt man da Vergnügungssteuer?
Aber ein M4 möchte nicht immer mit maximalem Grip in der Kurve kleben. Er möchte tanzen. Wie die Sambatänzerinnen beim brasilianischen Karneval: mit maximalen Einsatz des Hinterteils. Wir drücken also einen der roten Knöpfe am Lenkrad. Fahrmodus M1 steht da. Vorkonfiguriert ist reiner Hinterradantrieb, abgeschaltetes ESP und ein gesperrtes Differenzial. Auf dem großen Curved Display erscheint der sogenannte Drift-Analyser. So so, jetzt weiß auch wirklich jeder, welch Geistes Kind der M4 ist. Ein dezenter Gasstoß in einer Kurve, der Wagen versetzt leicht. Gut kontrollierbar, es entsteht automatisch ein Grinsen. Hie und da führt es auch zu einem spontanen „Hihi“. Im Gegensatz zum M4 sind solche emotionalen Ausbrüche recht unkontrollierbar.
Es sind Autos wie der BMW M4, die uns Benzinbrüdern noch eine Welt suggerieren, die irgendwie in Ordnung ist. Andererseits kann der schnelle Bayer auch Menschen begeistern, die davor mit Fahrdynamik nichts anfangen konnten. Abgesehen von seinen sportlichen Qualitäten ist so ein BMW M4 natürlich ein ganz formidables Fahrzeug. Wenn man möchte, fährt er sich ganz unaufgeregt, was zum einen dem Verbrauch und zum anderen dem weiteren Besitz des Führerscheins positiv beeinflusst. Außerdem ist die Verarbeitungsqualität tadellos, die verwendeten Materialien sind durchwegs hochwertig. Gut, das Innere des BMW besteht gefühlt aus zwei Werkstoffen: Kuhhaut und Carbon. Und vielleicht ein bisserl Alu.
Abgesehen davon haben die Damen und Herren in München einiges an Hirnschmalz in die Bedienung gesteckt. Wir nehmen die der Lüftung als Beispiel. Unterhalb der Lüftungsdüsen befinden sich kleine Hebelchen. Werden sie nach links geschoben, strömt die Luft nach links, schiebt man sie nach oben, geht die Luft nach oben. Rechts und runter funktioniert natürlich gleich. Drehe ich diese Hebel, verändert sich die Intensität der Belüftung. Intuitiv, manuell, unkompliziert und schnell. Ohne Verschlimmbesserung durch einen Touchscreen. So einen gibt es im M4 zwar auch, schön in Richtung Fahrer gebogen, man wird trotzdem nicht vom Digital-Überschmäh abgelenkt. Dazu passt die Lautstärke der Warntöne. Wie jedes neue Fahrzeug untersteht auch der M4 der EU-Verordnung namens GSR, also General Safety Regulation. Auf gut Deutsch bedeutet das, jede Tätigkeit, die sich abseits der Straßenverkehrsordnung befindet, wird ohne Toleranz mit einem Piepsen kommentiert. Das ist beim BMW zum einen recht leise und zum anderen auch mit nur einem Knopf deaktivierbar.
Fazit
Ja, so ein BMW M4 kostet eine ordentliche Stange Geld, bietet aber auch viel dafür. Kann man damit Menschen begeistern? Ja! Braucht man einen gefestigten Charakter? Auf alle Fälle! Gibt es eine annehmbare Alternative? Eigentlich nicht. Eventuell den kleinen Bruder, also den M2. Oder den M3, wenn man ein bissl was transportieren möchte. Die deutschen Premiumkollegen mit Stern oder Ringen sprechen einfach andere Zielgruppen an. Nicht besser oder schlechter, einfach anders. Wenn man aber die maximale Spreizung zwischen Alltagsauto und Reifenschlächter möchte, kommt man am BMW M4 Competition schwer vorbei.