Mit Horwin kommt Elektromobilität direkt vom Land
Es ist ein sonniger Tag, an dem wir nach Großharras unterwegs sind. Ein kleines Dorf, der Bauer winkt uns freundlich, während er auf seinem etwas in die Jahre gekommenen Traktor an der Kreuzung wartet. Doch der verschlafene erste Eindruck der Ortschaft ändert sich recht rasch. Nämlich in dem Moment, in dem man das große Horwin-Logo sieht.
Vor dem größten Gebäude am Gelände parken Cupra Born, BMW iX und unzählige Tesla-Modelle. Ja, die meinen es mit der Elektromobilität ernst. Der Chef begrüßt uns höchstpersönlich. Das Lächeln von Hanspeter Heinzl steckt an. Seine Familie ist schon immer hier, erklärt er. Agrartechnik, Weinbau, Getränkeabfüllung. Die Familie Heinzl betätigt sich in vielen Geschäftsfeldern. Stets erfolgreich. Nun ist die Elektromobilität dran. Wir setzen uns. GO! fragt, Heinzl antwortet.
GO!: Wer oder was ist Horwin?
Heinzl: Horwin ist eine Mobilitätsmarke, die wir im Jahr 2014 gegründet haben und wir entwickeln einspurige Elektrofahrzeuge. Der Markenname setzt sich übrigens aus den Anfangsbuchstaben von den Vornamen meines Partners Wendsor und mir zusammen. Das H steht am Anfang und das W in der Mitte. Und, das ist ganz wichtig, wir entwickeln ausschließlich für den europäischen Markt, produzieren aber – noch – in China.
Gut, aber wie differenziert sich ein Horwin-Produkt nun von all den anderen elektrischen Zweirädern aus Fernost?
Der große Unterschied ist, dass wir in Europa und China zusammen entwickeln. Und wir haben in Europa ganz andere Anforderungen. Das beginnt schon bei der Körpergröße, da unterscheiden wir uns doch recht deutlich. Und damit einhergehend auch mit dem Gewicht. Das heißt aber auch, dass man hierzulande mehr Leistung benötigt. Passend dazu werden in Europa viel höhere Geschwindigkeiten gefahren, in China fahren 90 Prozent aller E-Roller nur 25 km/h. Außerdem hat man einen ganz anderen Qualitätsanspruch in Europa.
Bleiben wir gleich bei Europa, denn wir sitzen hier jetzt ziemlich mittig davon. In Großharras. Was passiert hier?
Das Familienunternehmen gibt es seit dem Jahre 1873 in Großharras und wir kommen aus dem Nachbarort Kammersdorf, wo ja auch der Ursprung von Horwin ist. Mittlerweile ist unser Unternehmen so stark gewachsen, dass der Kammersdorfer Standort ganz einfach zu klein geworden ist. Und dann gab es die Möglichkeit, hier in Großharras 15.000 Quadratmeter zu erwerben. Daraus haben wir die Horwin Europe Zentrale gemacht, also wir beliefern von hier den ganzen Europäischen Markt. Nicht nur Fahrzeuge, sondern auch Ersatzteile. Wir haben alle Ersatzteile hier, also jeder Händler in Frankreich, Österreich, Deutschland kann das Ersatzteil innerhalb von 24 Stunden haben. Wieder so ein Unterscheidungsmerkmal zu den anderen.
Aber mal zurück zu den Fahrzeugen. Wie viele Zweiräder werden denn von hier aus zu den internationalen Händlern geliefert?
Im Jahr 2023 konnten wir in Europa rund 33.000 Fahrzeuge absetzen, mit Schwerpunkt Deutschland und auch Frankreich. Spanien ist ein mittlerweile guter Markt, was uns noch fehlt, sind die nördlichen Länder. Das hat aber damit zu tun, dass wir uns in den letzten Jahren um die Hauptmärkte gekümmert haben, um erst einmal Geld zu verdienen. Wir dürfen nicht vergessen, die Marke, das Areal, alles was gerade im Aufbau ist, ist eigenfinanziert.
Wow!
Ja, so kann man schön organisch wachsen und der Plan ist, im Jahr 2026 50.000 Stück in Europa abzusetzen. Natürlich auch in unserem Heimatmarkt, wo wir heuer verstärkte Präsenz zeigen möchten. Und da kann ich nur eines sagen: Ja, wer sich in den letzten Jahren einen billigen Elektroroller gekauft hat, wurde vermutlich enttäuscht. Weil die Hersteller kein Interesse haben an technischem Support, an Ersatzteilversorgung, an einer vernünftigen Händlerstrukur. Da geht es nur um eines: Stückzahl. Und das unterscheidet uns, weil wir nur einen Fokus auf genau diese Dinge legen. Es ist ein harter Weg, ein steiniger. Aber ich denke, das ist der richtige Weg.
Die EK-Reihe ist ja ein großer Erfolg, die SK-Reihe ebenfalls. Auf was können wir uns denn in naher Zukunft freuen?
Nun kommt mit unserem Senmenti 0 ein gänzlich neues Fahrzeug mit einer ganz neu entwickelten Plattform. Motor, Getriebe, Akku, PMS, also alle wichtigen Komponenten, sind in einer Einheit. Dadurch spart man sich viele Kontakte und lange Kabelverbindungen. Damit haben wir keine Probleme mit Hitzeentwicklung und Leistungsverlusten. Da haben wir auch 80 eingetragene Patente. Und das ermöglicht uns auch Technik, Reichweite und Geschwindigkeit jenseits von dem, was wir heute kennen. Mit dem großen Vorteil, dass ich hier auch noch ein Schnellladesystem integriert habe. Von 0 auf 80 Prozent bist du in 20 Minuten.
Wie kann man sich jetzt die Fertigung von so einem Hochleistungsfahrzeug vorstellen?
Wir haben die sogenannte Dark-Factory. Die heißt so, weil kein Mensch dort arbeitet. Die Fertigung funktioniert über modernste Robotertechnologie. Das ganze mit einem unglaublichen Genauigkeitsgrad von μ-Millimetern.
Wir stehen auf. Es wird, wie jeden Tag, ein Container angeliefert. Bei dieser Gelegenheit wird gleich das Lager gezeigt. Zuerst das für die Fahrzeuge, dann das für die Ersatzteile. Ebenfalls am Standort sind Prüfstände und natürlich Büroräume. Heinzl zeigt auf einen großen, freien Platz am Gelände. Dort kommt 2026 eine Fertigungsstraße für die Senmenti hin. Die Pläne sind schon fix fertig.
Warum erst 2026? Diese Frage beantwortet er besonnen. Schritt für Schritt, sagt er. Bloß nicht zu schnell und zu groß und erinnert an das Interview. Muss ja alles selbst bezahlt werden. Wir verabschieden uns und machen uns, offensichtlich beeindruckt, auf den Weg nach Wien. Wieder sehen wir den Bauern. Diesmal winkt er von der anderen Seite.