Wer hat die größeren Nüstern? Der BMW M4 Competition polarisiert, aber er begeistert auch.
Fahrbericht
Diskussionsstoff

Wir fahren den BMW M4 Competition

Boah, ist der Oag! Mein Nachbar versucht erst gar nicht, seine Emotionen zu zügeln, als er an dem nasskalten Montagmorgen das Atzerl länger im Nieselregen steht, nur um den BMW zu begutachten. Man stelle sich vor, die Herr- und Damschaften hätten mir den neongelben Testwagen vor die Tür gestellt - aber auch im dezenten Grau, das durch das grausliche Wetter noch gedeckter daherkommt, lädt der Vierer ob seiner offen zur Schau gestellter Brutalität zur Diskussion ein. Nicht nur mit anderen Personen, auch mit sich selbst. 

An diesem Punkt sei gesagt, dass ich dem M4 Competition ganz unbedarft gegenüber stehe - vermutlich bin ich der einzige Motorjournalist dieses Landes, der noch nie M4 fuhr. Ich kenne das Ausgangsmodell recht gut und auch der M5 war schon in diversen Ausbaustufen Teil meines beruflichen Alltags. Der ist laut, der ist geil, der ist schnell, allerdings ist so eine ausgewachsene Premiumlimousine mit über 1,8 Tonnen halt auch schwer. Ein Gedanke, den ich im Nachhinein in Relation setzen muss. Auf der automobilen Bucket-List fehlt aber noch die wohl ikonischste Form des BMW-Fahrens - ein richtig sportliches, zweitüriges Coupe. Ganz im Stil des 3.0 CSL oder des ersten M3. 

Da steht er also, der M4. Hier drängt sich die immer wiederkehrende Frage auf, ob ein Auto klassische schön sein muss, um zu gefallen. Ein Lancia Delta Integrale ist zum Beispiel nicht mehr als ein recht breiter, aber auch extrem zerklüfteter Kompakter, der von Unwissenden gerne mit einem Golf 2 verwechselt wird. Schön geht anders, geil finden ihn trotzdem alle. Form follows Function. Auch den Nissan GTR finde ich, um ehrlich zu sein, ein bisschen hässlich. In meiner Garage würde ich ihn trotzdem mit offenen Armen empfangen. Gut, ganz so ist es beim neuen M4 nicht. Da haben sich die Designer durchaus was dabei gedacht. Und der Gedanke muss auch in den Köpfen der Rechner, Controller und Marketer funktioniert haben, ansonsten würde ich hier nicht über die Optik eines Serienfahrzeugs philosophieren. BMW ist aber eine der wenigen Automarken, bei denen ich mir polarisierendes Design erwarte, sogar wünsche. Ganz unabhängig, ob es mir persönlich gefällt. Wir erinnern uns an die Zeit eines Chris Bangle, dessen Fünfer die BMW-Gemeinde auch in zwei Lager trieb. Oder seinen Sechser, der stets aussah, als hätte man vergessen, den Heckdeckel zuzudrücken. 

Im Hier und Jetzt weiß der M4 zwar zu polarisieren - aber in einer nicht repräsentativen Umfrage in meinem Bekanntenkreis zieht die Contra-Seite aber den Kürzeren. 

Es zählen die inneren Werte

Das Cockpit ist da entgegenkommender. Das Layout ist markentypisch dem Fahrer zugeordnet - Alcantara und Carbon sind obligat. Ich betätige den Startknopf, der Reihensechser erwacht und röhrt einmal durch die vier Endrohre. Ich öffne die Auspuffklappen. Nicht, weil ich meine Nachbarn nicht mag, sondern weil man im M4 gerne den Prolo spielt. Mit vollen Hosen ist eben leicht stinken. Ich fahre die Gasse entlang, der Pensionist, der stets um dieselbe Zeit unabhängig vom Wetter spazieren geht, schaut zuerst ungläubig, nickt mir dann aber anerkennend zu. Ich biege ab. In diesem Moment verstehe ich, warum BMW den M4 erstmals auch allradgetrieben anbietet. Das, Gott sei Dank, nur hinterradgetriebene Testmodell versetzt auf der nassen Straße, weil das Gas gefühlt nur einen halben Millimeter zu viel bewegt habe. Es ist keine gefährliche Situation, allerdings macht es wieder deutlich, was für eine Maschine der M4 ist. Ich schaue in den Rückspiegel, der Pensionist schüttelt den Kopf.

Diese leicht ungehobelte Art ist in erster Linie erfrischend - der Bimmer funktioniert sonst in Perfektion. Jeder Knopf hat den idealen Druckpunkt, das Infotainmentsystem hat über den gesamten Testzeitraum nicht einen Hänger und die Fahrerassistenzsysteme arbeiten piekfein. Fehlerfrei wird der Fahrer auf Stopptafeln sowie rote Ampeln hingewiesen. 

In meiner Eigenschaft als Connaisseur der flotten Landstraßenkurve führt mich mein Weg in die Berge. Dort, wo wenig Verkehr den Fluss aus kurzen Geraden und schnellen Biegungen stört, fühlt sich der M4 zu Hause. Die Mühlbacher Hochkönigstraße erweist sich an einem sehr frühen Samstagmorgen als Goldgriff. Das Gefühl, mit dem Auto zu verschmelzen, ist ein eigenartiges. Die Schuhsohlen verschwinden, die Füße sind fix mit den Pedalen verbunden, der Hintern ist Eins mit dem gut positionierten Sportsitz, die Hände formen eine Einheit mit dem Lenkrad. Der M-Modus ist aktiviert, der Radio abgeschaltet. Der Bimmer schiebt mächtig an und dank warmer Reifen ist auch Traktion da. Das Heck lenkt munter mit, bleibt aber jederzeit beherrschbar. Die Felswand, an die sich die Straße schmiegt, flößt einerseits Respekt ein, andererseits verstärkt sie den Sound des ab 5.000 Touren infernalisch kreischenden Reihensechsers. Turbo und OPF hin oder her - in genau diesem Moment klingt der Motor, wie man es sich von dieser Art Automobil erwartet. 

Generell ist der M4 Competition so, wie man es sich erwartet. Man kann natürlich ganz entspannt damit einkaufen fahren, auch die tägliche Tangenten-Tortour geht ohne Komforteinbußen. Aber dann könnte man sich ja auch einen Basis-Vierer mit Dieselantrieb kaufen. Der M4 ist auf Wunsch asozial, laut, hart und ein automobiler Prolet, wie er im Buche steht. Und genau darum weine ich ihm die ein oder andere Träne nach.

Der BMW M4 auch auf