Seat reitet 2020 die Elektro-Welle gleich doppelt.
Es ist kalt, ich zittere und meine Zähne klappern - wie konnte das passieren, in Spanien ist es doch immer warm? Erstens ist es anders und zweitens, als man denkt. Die ersten Schritte aus dem Flughafen in Madrid waren ein Schock. Vier Grad Celsius, dazu eisiger Wind - damit hat nun wirklich niemand gerechnet, ich hätte mir die Wettervorhersage am Smartphone vielleicht doch anschauen sollen. Aber ich bin ja ein grenzenloser Optimist und finde auch am enttäuschenden Wetter etwas Gutes. Niedrige Temperaturen sind quasi der Endgegner für Elektroautos und wie es der Zufall will, ist der Grund, warum wir in Madrid sind, klein und elektrisch.
Dasselbe, nur in grün
Gut, die Konzernmutter VW darf sich mit einem ähnlichen Elektro-Lineup schmücken. Der Zwilling des gerade getesteten Kleinwagen ist der e-Up!, beide Stadtflöhe sind die Vorboten vom ID.3 und dem iberischen Bruder el-born. Wer also auf deutsche Sachlichkeit steht, findet sein grünes Gewissen bei VW, wer aber das spanische Feuer ohne Verbrennungstechnik sucht, landet bei Seat. Zurück zum Mii in Madrid, der sich in der Millionenstadt wie ein Fisch im Wasser fühlt und zu ein paar Zahlen. Der Durchschnittseuropäer fährt rund 50 Kilometer täglich, der Madrilene um einiges weniger, dafür steht er zu lange im Stau. Und genau hier haben wir schon den ersten Vorteil des Elektroantriebs - im Stau braucht der Antrieb keine Energie und stößt somit keine Schadstoffe aus. Nur die Heizung zapft die Batterie an, was bei dem Wetter aber selbstverständlich ist. Nach WLTP sind 260 Kilometer mit einer Akkuladung drin - also müsste der durchschnittliche Europäer seinen Mii nur alle fünf Tage aufladen - rein theoretisch. Klar, diese Rechnung hinkt ein bisschen, aber wer viel Langstrecke fährt, informiert sich ja erst gar nicht über einen gut 3,5 Meter kurzen Cityflitzer.
Platz ist in der kleinsten Hütte
Die Alltagstauglichkeit hinsichtlich des Antriebs ist also geklärt, die der Karosserie nicht. Ums kurz zu machen - Großfamilien werden mit dem Mii electric keine Freude haben, Singles und Pärchen fühlen sich im kleinen Spanier pudelwohl und die dreiköpfige Jungfamilie kommt gut durch den Alltag - wenn sie einen origamiartig faltbaren Kinderwagen hat und gerne Online einkauft. Mit 251 Liter Kofferraumvolumen darf sich der Mii in seinem Segment zwar rühmen, für Familienausflüge benötigt es dann doch mehrere Stunden Tetris-Vorbereitung. Weitaus größer als es von Außen den Anschein macht, ist die Fahrgastzelle. Im Fond finden sogar Erwachsene Platz - nicht viel, aber durchaus zumutbar. Vorne wirkt es sehr luftig, auch durch den Verzicht auf eine überladene Mittelkonsole. Eigenwillig ist die Infotainment-Bedienung. Während andere Autohersteller versuchen, die Inhalte des Smartphone so gut es geht im zentralen Mitteldisplay wiederzugeben, bindet Seat das ganze Telefon ins Fahrzeug ein. So spart sich der mii das Mitteldisplay und das Smartphone wird mittels App perfekt ins Fahrzeug integriert.
Bisserl Dynamik darf schon sein
Typisch E-Auto ist die gute Beschleunigung. Nur 3,8 Sekunden braucht der kleine Iberer - leider nicht auf Landstraßentempo, sondern bis zum Stadt-50er. Innerstädtisch ist das aber durchaus konkurrenzfähig, auf 100 braucht der Mii electric knapp über 12 Sekunden, was für die 83 PS auch absolut ok ist. Maximal rennt der Mii 130 km/h - immerhin riskiert man auf einem Autobahn-Ausflug nicht seinen Führerschein. Für die Langstrecke hat sich Seat sowieso eine Alternative einfallen lassen. Wer sich einen Mii electric zulegt, bekommt ein ÖBB-Jahreskarte dazu. Kurzstrecke also mit dem Auto, weitert Distanzen mit dem Zug - das spart Geld und hält den ökologischen Fußabdruck auf Kinderschuh-Niveau. Ähnlich klein ist nur der Preis - mit Förderungen kostet der Seat Mii electric nur 17.690 Euro. Falls sich jemand gefragt hat, wann die Demokratisierung der Elektromobilität startet - hier die Antwort: Jetzt!